Samstag, 7. Juli 2012

Ohne Soß´ nix los

Warum nur wird im Allgemeinen so wenig Wert auf eine erstklassige Sauce gelegt? Ich kenne viele, die viel Wert auf tolles Essen legen. Wenn es dann aber um die Sauce beispielsweise zum Geschmorten geht, dann wird das bisschen Flüssigkeit, das beim Schmoren entstand, mit Wasser und Saucenpulver so gestreckt, dass man hinterher nur noch eine dünne Brühe auf dem Teller schwimmen hat, die mehr nach Päckchenplörre als nach einer frischen, intensiven, aromatischen leckeren Sauce schmeckt.

Ich denke, der Grund ist zumeist der nicht unerhebliche Aufwand, den man zugegebenermaßen für eine perfekte Sauce betreiben muss. Gute Köche wählen den ruhigsten Tag der Woche, um einen Saucentag einzulegen. An diesem Tag wird Sauce auf Vorrat produziert, oder eben Grundlagen, die man für die Saucenherstellung benötigt, wie Fonds und Brühen. Die Sauce, die man aber in einem guten Restaurant zu einem Stück Fleisch gereicht bekommt, ist dick, sämig, dunkel und jeder Tropfen davon eine Geschmacksexplosion am Gaumen.

Heute ist ein ziemlich verregneter Sonntag, Frau Dorothee ist bei Freunden, die Küche gehört also mir, und in zwei Wochen soll ein Geburtstagsmenü auf dem Tisch stehen. Also die Gelegenheit, die Zeit für die Zubereitung einer leckeren Grundsauce zu nutzen. Dabei halte ich mich nur bedingt an das Grundrezept einer klassischen sauce demiglace, sondern wandle dieses bereits im Hinblick auf die spätere Verwendung ab. Die Sauce soll in zwei Wochen zu geschmorten Kalbsbäckchen serviert werden. Im Menüplan, an dem ich seit zwei Monaten tüftle, steht "Barolo-Portwein-Sößchen". Na dann.

Bei nahezu jeder Saucenherstellung muss irgendwann mit Flüssigkeit aufgefüllt werden. Nur in der Päckchensaucen-Liga kommt hier Wasser zum Einsatz, für eine richtige Soße braucht es Brühe. Würde es in zwei Wochen Geflügel geben, dann eine Geflügelbrühe. Zu Wild eine Wildbrühe. Und zu Kalb eben eine Kalbsbrühe. Da ich nur Rinderknochen bekommen habe, muss eine Rinderbrühe herhalten.

Im Prinzip erstelle ich eine leckere Brühe, die nach Rind schmeckt. Danach mache ich damit eine Sauce, die noch intensiver und leckerer nach Rind schmeckt. Und darin wird dann letztendlich das Fleisch geschmort, das dann auf den Tisch kommt. Das intensiviert das Aroma der Sauce noch einmal zusätzlich. Und wenn man diese Sauce dann noch auf höchstens ein Drittel einreduziert, dann hat man sie. Die dunkle, sämige Geschmacksexplosion.

Für 1,5 Liter Brühe blanchiere ich 1,5 kg klein gehackte Rinderknochen (gibt´s auf Bestellung beim Metzger) 3 Minuten in kochendem Wasser, und spüle sie danach kalt ab. Dann werden sie in 1,8 Liter kaltem Wasser neu aufgesetzt. Aufkochen, und den dabei entstehenden Schaum sorgfältig abschöpfen. Dann die Hitze soweit zurück nehmen, dass die Brühe die nächsten drei Stunden nur leise siedet. Das schont die dabei freigesetzten Aromen.

Während des Kochens immer wieder Fettaugen entfernen (degraissieren, ich benutze dazu einen großen Suppenschöpflöffel, setze diesen vorsichtig neben den Fettaugen an und fange sie durch den Sog der in den Löffel fließende Flüssigkeit ein. Dabei so wenig wie möglich Brühe mitnehmen) und verdunstete Flüssigkeit durch Wasser ausgleichen.

Nach drei Stunden das geputzte und gleichmäßig zerkleinerte Gemüse (je 60 Gramm Karotte, Knollensellerie, Petersilienwurzel, eine Zehe Knoblauch und eine nicht zu große, halbierte Zwiebel), ein Zweig Thymian, 6 - 10 zerstoßene Körner schwarzer Pfeffer (ich bevorzuge Malabar-Pfeffer), zwei Nelken, ein Lorbeerblatt und 10 Gramm Salz hinzufügen. Mit dem Salz unbedingt sparsam umgehen. Da die Flüssigkeit im weiteren Verlauf immer mehr einreduziert wird, kann man sonst böse Überraschungen erleben.

Würde man das Gemüse und die Gewürze bereits früher zugeben, würden sich durch den langen Kochprozess deren Aromen wieder verflüchtigen.

Die Rinderbrühe auf der Zielgeraden: eine Stunde vor Garende kommen das Gemüse, die Kräuter und die Gewürze dazu.

Nach einer weiteren Stunde ist die Brühe dann fertig. Vorsichtig durch ein Sieb mit einem darin liegenden Tuch (ich benutze dafür immer die kochbaren Stoffwindeln) passieren.

Voilà. Das Ergebnis ist eine schmackhafte Rinderbrühe, die als Basis für die weitere Saucenzubereitung dient. Die Brühe schnell abkühlen (am besten im Eiswürfelbad) und dann ab in den Kühlschrank damit. Dies gilt eigentlich für alle abzukühlenden Flüssigkeiten. Eine kochend heiße Flüssigkeit, die nur bei Zimmertemperatur langsam abkühlt, bewegt sich über Stunden im Temperaturbereich zwischen 50 und 20 Grad Celsius - ideale Voraussetzung für Keime aller Art, um sich explosionsartig zu vermehren.

Wenn die Brühe nicht aufbewahrt werden soll, sondern gleich weiterverwendet wird, muss sie natürlich nicht abgekühlt werden, sondern kann heiß gehalten werden. Und hier geht´s ja direkt weiter mit der braunen Grundsoße.

Hierzu gebe ich 40 Gramm Butterschmalz in eine Fettwanne (das etwas tiefere Blech für den Backofen), und verteile 1 Kilo kleingehackte Rinderknochen und 100 Gramm durchwachsenen Schweinespeck darauf. Weitere Fleischreste vergangener Kochorgien (die man extra hierfür immer einfriert) kann man ebenfalls beifügen. Ab damit in den vorgeheizten Backofen bei 200 Grad und langsam, aber kräftig anrösten. Hierbei entstehen nun die herrlichen Röstaromen, die unserer Sauce den überragenden Geschmack verleihen.

Die Rinderknochen in den Backofen: noch sind sie rosa...

In der Zwischenzeit gebe ich das kleingewürfelte Röstgemüse (jeweils 50 Gramm Zwiebeln, Karotten, Knollensellerie, Petersilienwurzel, Lauch) mit etwas Butterschmalz in einen Bräter und brate es bei hoher Temperatur, unter ständigem Rühren, kräftig an. Dabei Zwiebeln und Lauch etwas später zugeben, da sie viel leichter verbrennen. Um es nochmal zu betonen, ich dünste das Gemüse nicht, ich röste es an. Es bekommt viele braune (aber nicht schwarze!) Stellen wie Grillgemüse. Dies bringt ebenfalls leckere Aromen in unsere Sauce.

Das Gemüse scharf anbraten, dabei immer rühren, damit nichts anbrennt.
Dann gebe ich etwa 30 bis 50 Gramm Tomatenmark dazu und röste dieses ebenfalls mit an - Vorsicht, dass es nicht verbrennt. Die Säure schwindet, die rote Farbe ändert sich in braun, die Tomatenaromen bleiben. Etwas edelsüßen Paprika darüber stäuben und noch kurz mitrösten, dann lösche ich das Ganze mit etwas Portwein ab (deglacieren), rühre dabei kräftig um und glaciere das Gemüse wieder: es wird gleichmäßig von der aromatischen, braun glänzenden Flüssigkeit überzogen.

Die Rinderknochen im Backofen: nun braun geröstet und duftend.

Nachdem der gesamte Portwein verdunstet ist, röstet das glacierte Gemüse wieder, dabei entstehen immer neue und komplexere Röstaromen. Diesen Vorgang (deglacieren und glacieren) wiederhole ich jetzt noch 5 Mal, abwechselnd mit Barolo, unserer bereitgestellten Brühe, und wieder mit Portwein.

Vorher gebe ich aber die angerösteten Knochen und Fleisch- und Speckreste dazu, sie sollen bei dem ganzen Prozess ja mitmischen und ihre Röstaromen ebenfalls an die Sauce abgeben. Wichtig ist nun, geduldig zu sein, bis die Flüssigkeit immer ganz einreduziert ist und dabei den Bräterinhalt immer schön gleichmäßig zu wenden.

Nun nur noch mit Brühe auffüllen.
Schließlich mit der gesamten restlichen Brühe auffüllen und dann 5 Stunden leise köcheln lassen. Die Aromen sollen dem Röstgut schonend entzogen werden: bei höherer Hitze werden viele Aromen wieder zerstört.

Nach 4 Stunden gebe ich die Gewürze dazu: einen Zweig Thymian, etwas Rosmarin, eine zerquetschte Knoblauchzehe, 5 bis 7 zerdrückte Pfefferkörner und ein Lorbeerblatt. Nach einer weitere Stunde dann wieder durch ein Sieb abseihen und durch eine Stoffwindel passieren.

Und fertig ist die braune Grundsauce, die Frau Dorothee nun am liebsten sofort auslöffeln würde, weil sie hervorragend duftet. Stattdessen reduziere ich sie noch ein, bis sie sämig wird, kühle sie dann schnell runter und friere sie ein. Am besten eiswürfelweise, dann habe ich bei Bedarf immer portionsweise Sauce parat.

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